Zians-Haas Rechtsanwälte

Wann ist eine kollektive Schuldenregelung möglich?

09.04.2020

Eine natürliche Person, die nicht mehr in der Lage ist ihre Schulden zu bewältigen, hat die Möglichkeit beim Richter eine kollektive Schuldenregelung zu beantragen.

Die in Artikel 1675/2 des Gerichtsgesetzbuches aufgeführten Bedingungen müssen erfüllt sein, damit dem Antrag stattgegeben und ein Schuldenvermittler bezeichnet wird:

“Jede natürliche Person, die nicht Kaufmann im Sinne von Artikel 1 des Handelsgesetzbuches ist, kann, wenn sie außerstande ist, dauerhaft ihre fälligen oder fällig werdenden Schulden zu zahlen, und insofern sie ihre Zahlungsunfähigkeit offensichtlich nicht organisiert hat, beim Richter einen Antrag auf kollektive Schuldenregelung einreichen. (...)”

Durch eine Gesetzesreform von 2018 wurde der Begriff “Kaufmann” im Sinne von Artikel 1 des Handelsgesetzbuches durch den Begriff “Unternehmen” im Sinne von Artikel I.1.1° des Wirtschaftsgesetzbuches ersetzt. Ziel der Reform war es alle Akteure auf dem Wirtschaftsplan zu erfassen. Das Konzept “Unternehmen” ist somit weitaus umfassender als der Begriff “Kaufmann”.

Es sind folglich nicht mehr die Kaufmänner, sondern die Unternehmen, die vom Anwendungsbereich der kollektiven Schuldenregelung ausgeschlossen sind. 

Gemäß Artikel I.1.1° Absatz 1 des Wirtschaftsgesetzbuches zählt bereits eine natürliche Person, die einer beruflichen Tätigkeit auf selbständiger Basis nachgeht, als Unternehmen. 

Damit es sich um eine berufliche Tätigkeit handelt, wird eine gewisse Beständigkeit und Organisation vorausgesetzt. Einmalige Handlungen sind folglich ausgeschlossen. 

Außerdem sind Amateur- und Gratisleistungen ebenfalls auszuschließen. 

Ein Selbstständiger kann demnach sehr schnell als Unternehmen qualifiziert werden, was eine kollektive Schuldenregelung ausschließt. 

Besonders im Bereich Sharing Economy (z.B. AIRBNB, UBER, usw.) sind sich viele nicht bewusst, dass sie je nach Auffassung des zuständigen Gerichts als Unternehmen qualifiziert werden. 

Zuletzt beschäftigte sich der Arbeitsgerichtshof LÜTTICH, Abteilung NEUFCHÂTEAU, mit der Frage ob der Geschäftsführer einer Gesellschaft ein einzelnes Unternehmen darstellt oder nicht. 

Im vorliegenden Fall war der Geschäftsführer der Ansicht, dass er kein einzelnes Unternehmen darstellt neben der Gesellschaft, die er leitet. Da er keine eigene Unternehmensnummer besitzt, nicht mehrwertssteuerpflichtig ist, keine von der Gesellschaft unabhängige Aktivitäten betreibt und lediglich ein Einkommen als Unternehmensleiter bezieht, war er davon überzeugt nicht als Unternehmen qualifiziert werden zu können und somit Anrecht auf eine kollektive Schuldenregelung zu haben. 

Der Arbeitsgerichtshof erachtete die durch den Berufungskläger aufgeführten Elemente jedoch als nicht relevant. Ausschlaggeben sind, wie bereits erwähnt, folgende Kriterien: Selbstständigkeit + eine berufliche Tätigkeit. 

Der Arbeitsgerichtshof entschied, dass der Geschäftsführer kein Anrecht auf eine kollektive Schuldenregelung hat. Der Geschäftsführer arbeitet auf selbständiger Basis und geht regelmäßig einer beruflichen Tätigkeit nach. Er stellt somit ein Unternehmen im Sinne von Artikel I.1.1° Absatz 1 des Wirtschaftsgesetzbuches dar. Die einzige Möglichkeit ist Konkurs einzureichen.  

Fazit: Die Frage der Qualifizierung muss immer in concreto überprüft werden.

 

Quelle : Arbeitsgerichtshof LÜTTICH, Abteilung NEUFCHÂTEAU, 3. April 2019, R.G. 2019/BU/4

 

 

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